Unsere Arbeit während der Corona-Zeit

a+G versucht wie viele andere Akteure im sozialen und gesundheitlichen Versorgungsbereich, zwei Zielen gerecht zu werden:
Einerseits, nehmen wir unsere Verantwortung im Hinblick auf eine Reduktion der Ausbreitung des Corona-Virus und die Ansteckungsgefahr für unsere Mitarbeiterinnen und unsere Patientinnen sehr ernst.
Andererseits haben wir eine Versorgungsverpflichtung gegenüber „unseren“ Patient*innen, den Menschen, die jetzt noch mehr ausgegrenzt werden.

Denn wohnungslose Menschen sind in besonderem Maße gefährdet:

Sie haben kein Zuhause, keine Rückzugsmöglichkeiten, keine Möglichkeiten sich in Quarantäne zu begeben. Zudem sind viele wohnungslose Menschen chronisch krank bzw. leiden unter mehreren Erkrankungen. Darüber hinaus kommt aktuell erschwerend hinzu: Wohnheime sind derzeit überfüllt, Beratungsstellen haben ihre Angebote eingestellt oder reduziert, Tafeln und Teestuben haben ihre Ernährungsausgaben modifiziert und minimiert und durch die Kontaktsperren im öffentlichen Raum sind Spendeneinnahmen in den Zentren der Großstädte und das Sammeln von Leergut stark eingeschränkt.

Wie sehen unsere unterschiedlichen Handlungsbereiche aus?

Medizinische Versorgung

a.) Medizinische Ambulanz ohne Grenzen

Unsere medizinische Versorgung bleibt, auch in der aktuellen Situation durch den Corona-Virus, im Rahmen von täglichen Sprechstunden in der Medizinischen Ambulanz ohne Grenzen bestehen.
Wir haben entsprechende Maßnahmen getroffen, um den Schutz unserer Mitarbeitenden und der Patientinnen möglichst effektiv zu gestalten. Vor Betreten der Ambulanzräume wird bei den Patientinnen Fieber gemessen und, entsprechend der Richtlinien des Robert-Koch-Instituts (RKI), Risikopatientinnen für eine Covid–19 Infektionsgefahr identifiziert. Bei einem Verdacht auf eine COVID 19 Infektion werden die Menschen in einem speziell dafür aufgestellten Container sowie unserem Gesundheitsmobil vor unserer Ambulanz untersucht. Der/die untersuchende Arzt/Ärztin trägt hierbei entsprechende Schutzkleidung. Unsere Ärztinnen entscheiden im Einzelfall, ob ein Test durchgeführt werden muss. Patieninnen, die nicht im Verdacht stehen, mit dem Covid 19 Virus infiziert zu sein, können in unserer Ambulanz behandelt werde. Hier dürfen maximal zwei Personen im Wartezimmer sitzen. Die Sprechstunden können aus diesem Grund zum Teil nur eingeschränkt stattfinden: Montag und Mittwoch von 10-11 Uhr, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 10-12 Uhr. Zusätzlich finden weiterhin zahnärztliche Sprechstunden (nur für Patientinnen mit Schmerzen), gynäkologische Sprechstunden (nur für Schwangere und Notfall-Patientinnen), sowie psychiatrische Sprechstunden (teilweise via Videokonferenz) nach Terminvereinbarung statt.
Genauere Informationen können Sie dem aktuellen Sprechstundenplan entnehmen.

b.) Arztmobil

Das Arztmobil ist wie gewohnt in Mainz und Bingen unterwegs und versorgt die Patientinnen auf der Straße, vor den Wohnheimen und in den Containern. Das Arztmobil ist am Montag, Mittwoch und Freitag für kürzere Fahrten unterwegs. Dienstags und donnerstags finden längeren Touren in der Mainzer Innenstadt statt. Bei Bedarf, zum Beispiel aufgrund von Hinweisen anderer Akteure oder durch aufmerksame Bürgerinnen, sind wir auch darüber hinaus mit unserem fahrbaren Sprechzimmer vor Ort.

c.) Unterbringung und Versorgung von Patient*innen

Normalerweise werden die Container, die zur Unterbringung wohnungsloser Menschen im Winter am Taubertsbergbad aufgestellt sind, Ende März abgebaut. Wir haben uns in Gesprächen mit der Stadt und den Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe dafür eingesetzt, dass die Container während der Pandemie weiterhin für obdachlose Menschen zur Verfügung stehen und ihnen einen Schutz bieten. Seit dem 01. April hat die Gesellschaft für psychosoziale Einrichtungen (GPE) die Betreuung in den Containern übernommen. Im März haben wir in Zusammenarbeit mit der Pfarrer Landvogt Hilfe mit unserem Arztmobil Lunchpakete zu den Containern gebracht. Seit einigen Wochen wird das Essen vom Autohaus Fuhrmeister zu den Containern gebracht. Zusätzlich verteilen wir Essens-Pakete in der Stadt für bedürftige, wohnungslose Menschen. Viele Versorgungseinrichtungen haben geschlossen oder sind nur eingeschränkt offen. Aus diesem Grund verteilen wir momentan Einkaufsgutscheine für Supermärkte an mittellose Menschen. Diese Aktion wird durch Johanna Kerber aus unserer Sozialen Beratung organisiert und ist durch die Unterstützung durch die Stiftung „Hilfe für dein Leben“ und dem Lions Club Mainz-Schönborn möglich.
Als weitere Versorgungs- und Unterbringungsmöglichkeit steht das Hotel INNdepence derzeit zur Verfügung (siehe unten).
Wir sind außerdem in Verhandlungen mit der Stadt Mainz und dem Gesundheitsamt Mainz-Bingen, eine zusätzliche Unterbringungs- bzw. Wohnmöglichkeit zu installieren. Unserer Meinung nach ist es dringend notwendig, Patient*innen mit Infektionen und/ oder auch bei Verdacht einer Corona-Virusinfektion, separieren zu können. Dies geht aufgrund der Ansteckungsgefahr anderer Personen weder in den Wohnheimen, noch im Container und auch nicht im Hotel. Wir hoffen, dass dieses weitere Versorgungsmodul noch diese Woche umgesetzt wird.

Soziale Beratung

Die Soziale Beratung und die Clearingstelle Krankenversicherung RLP setzen Ihre Arbeit ebenfalls fort. Gerade jetzt haben viele Menschen existentielle Sorgen. Über E-Mail und telefonisch können wir Kontakt zu Behörden, Ämtern und Krankenkassen aufnehmen. Wir geben unser Bestes, damit unsere Patient*innen weiterhin finanziell abgesichert sind.

Sofern möglich bitten wir, um Anfragen per Telefon oder E-Mail anstelle persönlicher Gesprächstermine:

06131 – 61 98 611

Johanna Kerber: 0179 – 60 67 317 \ soziale.beratung@armut-gesundheit.de
Nele Kleinehanding: 0174 – 77 98 987 \ nele.kleinehanding@armut-gesundheit.de
Bernd Drüke: 0157 – 30 02 17 75 \ bernd.drueke@armut-gesundheit.de
Johannes Lauxen: 0176 – 76 70 62 45 \ johannes.lauxen@cskv-rlp.de

Persönliche Gespräche können in Notfällen mit einem Nasen-Mundschutz während der oben genannten Ambulanz-Sprechstunden stattfinden. Vor einem Termin wird bei den Ratsuchenden ebenfalls Fieber gemessen sowie das Risikoprofil einer Corona-Virus-Infektion abgefragt. Bitte sagen Sie vor dem Ambulanz-Eingang Bescheid, dass Sie einen Termin in der Sozialen Beratung haben. Bitte vereinbaren Sie den Termin vorher. Die Sozialarbeiter*innen entscheiden, ob es sich um einen Notfall handelt.

Unterbringung im Hotel INNdependence

Seit Mitte März hat das Hotel INNdependence in Mainz seine Türen für wohnungslose Menschen geöffnet. Nicht viele Kommunen sind diesem lebensrettenden Beispiel gefolgt.
Bei zunehmenden Hygienemaßnahmen und Kontaktbeschränkungen wurde uns klar, dass obdachlose Menschen zu einer Hochrisikogruppe gehören und den Schutzmaßnahmen gegen das Virus auf der Straße nicht Folge leisten können. Mit Hilfe des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie des Landes Rheinland-Pfalz wurde der Kontakt zum Hotel INNdependence (eine Einrichtung der GPE) hergestellt. Das Ministerium, die Stadt Mainz und das Thaddäusheim unterstützen seither die Unterbringung unserer obdachlosen Patienten in diesem Hotel. Die Aufnahme wird von uns anhand gesundheitlicher Kriterien durchgeführt. Chronisch kranke, mehrfacherkrankte und ältere wohnungslose Menschen werden nach einer ärztlichen Untersuchung im Hotel aufgenommen. Momentan leben 24 Männer in dem Hotel. Sie sind alle in Einzelzimmern untergebracht und bekommen dreimal täglich Essen. Den RKI-Richtlinien entsprechend können hierdurch die erforderlichen Schutzmaßnahmen realisiert werden. Die Patienten werden von uns von der Straße oder den Containern in das Hotel gebracht. Wir übernehmen die medizinische und, mit Hilfe des Thaddäusheims, die sozialpädagogische sowie krankenpflegerische Betreuung dieser Menschen und sind an den Werktagen täglich vor Ort. Sofern dies möglich ist, stellen wir einen Antrag auf existenzsichernde Leistungen oder kümmern uns um Ausweispapiere, Meldebescheinigungen, Krankenkassenkontakte, uvm. Seit dem 21. April finden zweimal pro Woche ärztliche Sprechstunden in diesem Hotel für die Bewohner statt.
Unsere Patienten sollen zum Eigenschutz das Hotel nur zum Spazieren gehen verlassen. Wir sind sehr froh über die Unterstützung von ehrenamtlichen Helfer*innen, die für einige der Männer eine Patenschaft übernommen haben: Sie erledigen Einkäufe, besorgen neue Kleidungsstücke, waschen die Wäsche im Waschsalon oder haben einfach nur mal Zeit für ein Gespräch. Die Helfenden werden von uns begleitet und den Patienten vorgestellt. Sie erhalten von uns Handschuhe und einen Nasen-Mundschutz. Wir stehen für Fragen während der Patenschaft zur Verfügung – wenden Sie sich einfach an Nele Kleinehanding von unserer Sozialen Beratung!

Wie geht es weiter? Wie können wir nachhaltig die Situation der Patienten im Hotel verbessern?

Die Unterbringung der Menschen im Hotel richtet sich nach den Maßnahmen der Bundesregierung. Das bedeutet: Sobald die Kontaktbeschränkungen gelockert werden und Hotelbetriebe wieder normal geöffnet werden können, müssen unsere Patienten das Hotel wieder verlassen. Wir wünschen uns natürlich eine andere Perspektive für diese Menschen, als ein Leben auf der Straße und den Schock, schon wieder „auf die Straße gesetzt“ zu werden.
Aus diesem Grund setzen wir uns derzeit mit jedem einzelnen Patienten intensiv auseinander und überlegen welche Maßnahmen getroffen werden müssen. Hierbei sind wir dringend auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum in Mainz und Umgebung. Bezahlbar heißt in diesem Falle, dass die Miete dem Mietspiegel entspricht und somit vom Jobcenter/Sozialamt übernommen würde.
Wir sind für jede Unterstützung dankbar!

Politische Forderungen

Zusätzlich fordern wir gemeinsam mit anderen Akteuren (MediNetz Koblenz, MediNetz Mainz, Caritas Worms, Street-Docs Ludwigshafen) eine Kostenübernahme von erkrankten, nicht krankenversicherten Menschen in Rheinland-Pfalz. Entsprechende Schreiben sind derzeit in Planung.

Internationale Solidarität

Gerade in den Zeiten knapper Ressourcen und Unterstützungsmöglichkeiten ist eine länderübergreifende Solidarität und Unterstützung notwendig. Nationalismus darf nicht wieder erstarken und unser Handeln bestimmen. Aus diesem Grund haben wir unser Zweit-Arztmobil der italienischen Hilfsorganisation InterSOS zur Verfügung gestellt. Seit dem 16.4.2020 ist unser Arztmobil für geflüchtete Menschen, die dort verstreut leben, in Kalabrien (Süditalien) im Einsatz. Zusätzlich haben wir unserer italienischen Partnerorganisation Schutzkittel, Mundschutzmasken und weiteres medizinisches Equipment gespendet.
Auf der Insel Lesbos unterstützen wir eine Physiotherapeutin, die gehandicapte Menschen in den Flüchtlingslagern Moria und Kara Tepe, versorgt.

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