Bericht von Prof. Dr. Traberts Lesbos-Reise

Vergangene Woche verbrachte Prof. Dr. Gerhard Trabert, 1. Vorsitzender unseres Vereins, auf der griechischen Insel Lesbos. Sein Aufenthalt hatte mehrere Gründe:

Einerseits konnte ein junger somalischer Mann namens Abas mit einer Unterschenkelprothese versorgt werden. „Jetzt beginnt für mich ein neues Leben“, rief er nach dem Anprobieren mit strahlendem Gesicht. Für ihn gilt es nun, beständig zu trainieren, damit er sich schon bald mit möglichst wenig zusätzlichen Einschränkungen im Kara Tepe Camp (auch Moria 2.0 genannt) bewegen kann. „Das Leben im Camp ist auch ohne körperliche Behinderungen schon extrem beschwerlich“, gibt Prof. Dr. Trabert wiederholt zu bedenken.

Ein weiterer junger Mann aus dem Camp leidet unter einer schwierigen Hautentzündung am Fuß. Von a+G konnte er mit speziellen, dort nicht erhältlichen Medikamenten versorgt werden, durch die ihm hoffentlich eine Amputation erspart bleiben wird.

Bei seinem Besuch lernte Prof. Dr. Trabert außerdem einen neuen Patienten kennen: Jazin, ebenfalls im Bürgerkrieg in Somalia verletzt, benötigt dringend eine neue Prothese. Diese wollen wir für ihn wieder in Zusammenarbeit mit dem Mainzer Sanitätshaus Lammert anfertigen.

Unsere Kontakte auf Lesbos berichten wiederholt von illegalen Push-Back-Aktionen. Durch die Polizei, die griechische Küstenwache, oder auch durch Frontex, die „europäische Agentur für Grenz- und Küstenwache“, werden Boote mit Fliehenden wieder zurück aufs offene Meer befördert und dort dem Tod ausgeliefert. Dies sind klare Menschenrechtsverletzungen, die es zu benennen und zu verurteilen gilt.
Immer wieder werden auf Lesbos die leblosen Körper der Opfer solcher Push-Back-Aktionen angespült. So kürzlich auch von sechs Menschen. Sie wurden auf einem verwilderten, ungepflegten Feld begraben.

Seit über zwei Jahren bemühen sich unser Verein, die Physiotherapeutin Fabiola Velasquez und engagierte Juristinnen vor Ort, diesen improvisierten Friedhof umgestalten zu dürfen. Nun wurde endlich die Erlaubnis erteilt. „Das ist so unglaublich. Ich hatte schon nicht mehr daran geglaubt. Wir werden dies in diesem Jahr anpacken, einen würdevollen und respektvollen Ort des Gedenkens an verstorbene geflüchtete Menschen zu kreieren. Wir werden versuchen ein Zeichen des Respekts, über den Tod hinaus, zu realisieren“, freut sich Gerhard Trabert, der den Friedhof bei jedem seiner Einsätze auf Lesbos besucht.

Wir rufen dazu auf, die Geflüchteten, die auf Lesbos, an der polnisch-belarussischen Grenze und an anderen Stellen der europäischen Außengrenzen festsitzen, nicht zu vergessen. Auch sie haben Kriegssituationen, Hunger und Gewalt erleben müssen. Das aktuelle politische und gesellschaftliche Handeln für die Fliehenden aus der Ukraine zeigt, wie ein würdevoller Umgang mit Schutzsuchenden aussehen kann. Wichtig ist, dass sich diese Solidarität nicht nur auf europäische und weiße Menschen beschränkt, sondern für alle gilt – unabhängig ihrer Herkunft, Religion und ihres Aussehens. Menschenrechte sind für alle Menschen da! Hier hat Europa noch einiges aufzuholen.