Bericht über Prof. Dr. Traberts Ukraine-Reise

Prof. Dr. Gerhard Trabert verbrachte Anfang des Monats mehrere Tage in der Ukraine, um verschiedene Einrichtungen zu besuchen, Hilfsgüter zu überreichen, weitere Hilfsbedarfe zu ermitteln und zukünftige Kooperationen zu initiieren. Begleitet wurde er dabei von Gregor Gysi und Michael Schlick.
Hier wollen wir Stationen und Eindrücke seiner Reise zusammenfassen:

Reisebeginn und Armenküche Lviv

Bereits während der Anreise wurde die Gruppe Zeuge eines Raketenangriffs der russischen Armee: Nur etwa 300 Meter entfernt war eine Explosion zu sehen.

In Lviv besuchten sie dann eine sogenannte Armenküche, die der Verein a+G schon seit über zehn Jahren finanziell unterstützt. Momentan werden dort Flüchtende übergangsweise aufgenommen und versorgt. In einem Schutzraum unterhalb einer Kirche konnte unser 1. Vorsitzender einen großen Koffer voller Medikamente und Verbandmaterial übergeben; möglich gemacht durch unsere Zusammenarbeit mit den Apothekern ohne Grenzen.

Während eines erneuten Bombenalarms konnte Herr Trabert mit einigen Flüchtenden über ihre Erlebnisse sprechen.
„Da ist die junge Mutter mit ihrem 3 Monate alten Säugling und ihrem 9 Jahre alten Sohn sowie der geliebten Katze Mamu, die aus Charkiw geflohen ist und jetzt bei den Basalianer-Priestern aufgenommen wurde. Sie hat große Angst um ihren Ehemann, der dort an der Front kämpft. Wird sie ihn wiedersehen?
Oder die junge Frau Mira, die aus Mariupol mit fast der gesamten Familie fliehen konnte, allerdings ohne den geliebten Schwiegervater. Er war einfach zu krank für die gefährliche Flucht aus diesem Katastrophen-Kriegsgebiet. Er lebt seit Wochen versteckt im Keller. Wird er es überleben? Schicksale, die immer wieder berühren und sehr traurig und nachdenklich machen. Warum gibt es immer wieder Kriege?!“, fragt er.

Anschließend besuchten sie noch eine Unterkunft für geflüchtete Menschen in einem Basilianerkloster.

Kyiv und Umgebung: Besuch des Zentralkrankenhaus Wyschgorod und der Akademie der Köche

Beim nächsten Luftalarm brachten sich die Reisenden in einem U-Bahn-Schacht in Sicherheit. Als nach der Entwarnung wieder Züge fuhren, waren sie etwa 10 Stunden nach Kyiv unterwegs.

„Es ist kaum zu glauben, dass hier Krieg herrscht. Ich gehe durch eine wunderschöne Stadt, wo die Ambivalenz zwischen dem militärischen Schutz vor dem Despoten Putin und der Schönheit und Verträumtheit dieser Metropole überall spürbar ist.“, so die Eindrücke.

Im Zentralkrankenhaus Wyschgorod konnte Prof. Dr. Trabert chirurgisches Equipment und ein Dermatom überreichen. Dieses Gerät haben wir in Absprache mit der Klinik vorab beschafft und von etwa 20.000 € Spendengeldern bezahlt. Es ermöglicht Eigenhauttransplantationen und ist deshalb gerade in Kriegsgebieten, wo es häufig Verbrennungen und Hautverletzungen gibt, besonders wertvoll:

„Dies ist exakt genau das, was wir brauchen!“, freute sich Dr. Mohammed und stellte seinem Kollegen Patienten mit entsprechenden Wunden, verursacht durch Granatenexplosionen und Streubomben, vor.

Bereits im Vorfeld der Reise konnte unser Verein den „Verband der Köche der Ukraine“ finanziell unterstützen. Deren Chef, Igor Bragin, führte Prof. Dr. Trabert, Herrn Gysi und Herrn Schlick durch seine Akademie, seine Ausbildungsstätte für zukünftige Köche in Kyiv, die nun für tausende von Menschen in der Woche Essen kocht. Dieses wird dann in Irpin, Charkiw und vielen anderen ukrainischen Städten, in denen die Gas-, Wasser- und Stromversorgung zusammengebrochen ist, in Krankenhäusern, Schulen und anderen Einrichtungen verteilt.

Irpin und Butscha: zerstörte Infrastruktur, Klinikbesuch, Besichtigung des Massengrabes

In Irpin wurden die drei Zeugen massiver Zerstörung. Der deutschsprachige Kontakt Wadym Kulabuchow erzählt ihnen: „Die Toten haben auch in Irpin auf der Straße gelegen, auch abgetrennte Körperteile. Die Zivilbevölkerung musste in den Kellern hausen, wer herauskam wurde oft erschossen.“ Im Belag der Straße konnte Prof. Trabert noch die Abdrücke der Panzerketten sehen. „Alles unvorstellbar“, findet er, und ist beeindruckt von den sofortigen Aufräumarbeiten: „Schutt und Gebäudetrümmer werden weggeräumt und die Stromkabel werden wieder vernetzt und angeschlossen. Diese Energie nach diesem Leid, der barbarischen Zerstörung ist bewundernswert.“

Nach einem intensiven Gespräch zwischen Prof. Dr. Trabert und dem Leiter der Chirurgie der Klinik in Butscha über die zahlreichen Verletzten und getöteten Menschen nach heftigem Artilleriebeschuss, besprachen die beiden, was die Klinik nun braucht: Einen zweiten Operationsraum. Dieses Vorhaben wird a+G unterstützen. 13.000€ konnte Prof. Dr. Trabert bereits in bar übergeben; sie wurden dankend angenommen.

Im Anschluss besuchte die Gruppe das Massengrab der getöteten Zivilist:innen in Butscha. Der Priester des Ortes schilderte die Gräueltaten und bat darum, die Geschehnisse nicht zu vergessen und weiter darüber zu sprechen.

„Der Priester vermittelt uns auch, und dies ist eine Einstellung, die mich sehr beeindruckt, dass in diesem Massengrab auch 10 russische Soldaten würdevoll beerdigt seien. Und er begründet dies mit einer absolut spürbaren authentischen persönlichen Überzeugung, dass auch dem Feind dieser Respekt gebührt und es niemals um Rache und Vergeltung gehen dürfe. Ist diese persönliche Haltung, die Grundlage für die Überwindung von Hass und Krieg, die Basis für einen neuen Frieden?!“, erzählt Gerhard Trabert und fügt hinzu: „Wir müssen darauf achten, dass es keine Anfeindung von Menschen aus Russland gibt! Nicht das russische Volk führt diesen Krieg, sondern Putin und die ihn unterstützenden Machtpolitiker. Auch führt nicht das türkische Volk einen Krieg gegen die Kurden, sondern Erdogan und die ihn unterstützenden Militärs und Politiker. Es sind die Despoten, die Demokratiefeinde wie Putin und Erdogan die Kriege führen! Es darf eben nicht zu einer Ausgrenzung und Anfeindung von Menschen kommen, was leider immer wieder, gerade auch in Deutschland, geschieht, die die russische Staatsbürgerschaft oder auch russische ‚Wurzeln‘ haben! Hier muss differenziert und reflektiert gehandelt werden!“

Nun, nach Beendigung des Einsatzes in der Ukraine, sind wir weiter mit den besuchten Einrichtungen in Verbindung, um mit den bei uns gesammelten Spendengeldern weiterhin direkt vor Ort helfen zu können.

Forderung an die Bundesregierung

Nach seinem Besuch in der Ukraine fordert Prof. Dr. Gerhard Trabert eine Aufnahme und Behandlung schwerverletzter Soldat:innen.

Bisher wurden Zivilist:innen und sogenannte Sicherheitskräfte in Deutschland zur medizinischen Weiterbehandlung aufgenommen. Ukrainische Soldat:innen bisher nicht. Ein Grund könnte sein, dass dieser humanitär medizinische Akt als ein „Eingreifen“ ins Kriegsgeschehen interpretiert werden könnte. Dies sei aber nicht nachvollziehbar, da ukrainische Soldaten in Deutschland in der Anwendung von Waffensystemen geschult werden, und dies als ein „Nichteingreifen“ interpretiert wird, findet der erste Vorsitzende des Vereins Armut und Gesundheit in Deutschland.

Zudem sollte Deutschland auch der Ukraine und Russland ein Angebot unterbreiten, schwerverletzte russische Soldat:innen in ukrainischer Gefangenschaft in Deutschland zu behandeln. Wenn gegen die russischen Soldat:innen keine Anklage aufgrund von begangenen Kriegsverbrechen vorliegt, sollten diese nach einer Gesundheitsstabilisierung den russischen Behörden übergeben werden.

„Ärztliche Hilfe kennt keinen Gegner, sondern nur verletzte hilfsbedürftige Menschen! Die Eskalationsspirale der Gewalt muss unterbrochen werden, vielleicht ist ein solches Angebot und Vorgehen, das diplomatisch begleitet werden muss, eine Chance für weitergehende Friedensgespräche!“, so Trabert abschließend.