Besuch von Bundespräsident Steinmeier

Gestern hatte unser Verein die große Ehre, Bundespräsident Steinmeier und die stellvertretende Ministerpräsidentin Binz auf der Zitadelle zu empfangen.

Dabei besichtigten sie nicht nur das Arztmobil, in dem Prof. Dr. Trabert und andere Ärzt:innen des Vereins ehrenamtlich regelmäßig wohnungslose Menschen aufsuchen und medizinisch versorgen und die Räumlichkeiten der medizinischen Ambulanz ohne Grenzen, in der Menschen ohne oder mit unzureichender Krankenversicherung ärztliche Versorgung und soziale Beratung erhalten können, und den Streetjumper, unser „Freizeit- und Gesundheitsmobil“ für Kinder und Jugendliche in benachteiligten Wohnsiedlungen – sondern führten vor allem Gespräche mit Betroffenen.

Zum Beispiel erzählte ihnen der 89-jährige Herr Fahr, Prof. Dr. Traberts ältester Patient, von seinem harten Leben auf der Straße. Immer wieder wurden ihm seine Habseligkeiten gestohlen, und er wegen „Landstreicherei“ inhaftiert.

Herr Steinmeier im Arztmobil mit Herrn Fahr und Prof. Dr. Trabert. Foto: Bundespresseamt / Jesco Denzel

Herr Schweickert, jahrelang selbstständig in der Veranstaltungsbranche, konnte sich die hohen Beiträge der privaten Krankenversicherung nicht mehr leisten und war so lange unversichert, bis er massive Hüftschmerzen bekam und keinen anderen Ausweg wusste, als sich bei a+G zu melden. Der Verein bezahlte die notwendigen Untersuchungen und half dabei, wieder in die Krankenversicherung aufgenommen zu werden. Frau Weyepe berichtete von der Zeit, in der sie sich papier- und wohnungslos in Deutschland durchschlagen musste und sich trotz Schwangerschaft nicht traute, sich ärztlich untersuchen zu lassen – aus Angst vor Abschiebung und hohen Kosten. Auch ihr konnte der Verein helfen: Inzwischen hat sie Papiere und lebt mit ihrer Tochter in einer kleinen Wohnung in Mainz.

Herr Steinmeier mit Frau Weyepe und ihrer Tochter (rechts). In der Mitte: a+G-Sozialarbeiterin Jenny Heinz. Auf dem Plakat im Hintergrund steht „Menschenrechte statt rechte Menschen“. Foto: Bundespresseamt / Jesco Denzel

Diese und weitere Lebensgeschichten hörte sich der Bundespräsident aufmerksam an und stellte viele interessierte Rückfragen. Es wurde klar: Hinter diesen Einzelschicksalen stecken strukturelle Probleme in unserem Gesundheits- und Sozialsystem. Prof. Dr. Trabert, die betreuenden Sozialarbeitenden und Ärzte erklärten, was sich ändern müsse, damit es anderen Menschen in ähnlichen Situationen besser ergeht.

 „Dieser Verein macht uns auf die Lücken im System aufmerksam – aber er klagt nicht nur an, sondern er hilft tatkräftig“, stellte Frank-Walter Steinmeier fest. „Einige fallen durchs Raster, weil sie aus irgendwelchen Gründen im Verlauf ihrer Biografie aus der Krankenversicherung herausgefallen sind.“  Für die, „die zu den Ärmsten, den Schwächsten, den Verwundbarsten gehören“, müsse man Möglichkeiten für eine bessere Gesundheitsversorgung finden. Das gelte ebenso für das Thema Wohnungslosigkeit: „Dass mitten unter uns in einem wohlhabenden Land Menschen auf der Straße leben müssen, darüber dürfen wir nicht achselzuckend hinwegsehen.“

Herr Steinmeier im Gespräch mit Herrn Schweickert. Über Herrn Steinmeier hängt eine Sprechblase mit der Aufschrift „Gesundheit ist ein Menschenrecht“. Foto: Bundespresseamt / Jesco Denzel

Dass das Staatsoberhaupt zu uns gekommen ist und sich die Zeit für einen ersten Austausch genommen hat, werten wir als Zeichen ernsten Interesses und der Solidarität. Dafür sind wir sehr dankbar. Die Themen Wohnungslosigkeit und Armut in unserer Gesellschaft erfahren damit eine Aufwertung.

Gruppenfoto des a+G-Teams mit Herrn Steinmeier, Frau Binz. Im Hintergrund das Arztmobil und die Ambulanz, im Vordergrund die Presse. Foto: Bundespresseamt / Jesco Denzel

„Ich hoffe, dass Herr Steinmeier aus den intensiven Gesprächen mit den Betroffenen etwas mitnimmt und die Erfahrungen weitererzählt, sodass sich vielleicht doch auch in der Tagespolitik von Berlin aus etwas verändern kann. Da mag ich naiv sein, aber ich glaube, es ist gerade jetzt, während unsere freiheitliche Demokratie eine Bedrohung von außen erlebt, besonders wichtig, im Inneren auch den sozialen Frieden, das gesellschaftliche Miteinander, zu stabilisieren. Und dies geht nur durch die Praktizierung von sozialer Gerechtigkeit, Armutsbekämpfung, Bildungsgerechtigkeit, einen Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung für Alle und damit auch und insbesondere eine Verteilungsgerechtigkeit“, erklärt Prof. Dr. Gerhard Trabert.

Der Austausch zwischen den beiden soll mit dem Besuch nicht abgeschlossen sein, sondern demnächst in Berlin fortgeführt werden. Erste Ideen für Themen haben sie bereits ausgetauscht.

Herr Steinmeier und Prof. Dr. Trabert im zahnärztlichen Behandlungsraum der Ambulanz ohne Grenzen. Foto: Bundespresseamt / Jesco Denzel

Hier können Sie eine Broschüre herunterladen, in der die Einzelschicksale der Gesprächspartner:innen genau beschrieben sind und die strukturellen Probleme und Lösungsmöglichkeiten dahinter ausführlicher beleuchtet werden.