Kinderarmut: 5 Fragen an die Mainzer OB-Kandidat:innen

Frage 1:
Jedes sechste Kind in Mainz lebt in Armut oder ist armutsgefährdet. Die Corona-bedingten Einschränkungen und die aktuellen Preissteigerungen haben Familien in sozial-prekären Lebenslagen besonders hart getroffen. Welche Bedeutung spielt dieses Thema in Ihrer kommunalpolitischen Agenda?

Dr. Marc Engelmann (FDP):
Das Thema hat eine enorme Bedeutung, insbesondere die drohenden Härten bei Familien
die aufgrund der stark gestiegenen Energiepreise und allgemeinen Preissteigerungen möglicherweise bei Nachzahlungen überfordert sind. Deshalb fordere ich die Absenkung des Hebesatzes der Grundsteuer B, wodurch jeder Mieter und Eigenheimbesitzer um mehrere hundert Euro im Jahr entlastet wird.

Mareike von Jungenfeld (SPD):
Als Sozialdemokratin und Mutter von zwei Kindern sind die Themen Solidarität, Gerechtigkeit und die Bekämpfung von Armut – insbesondere der Kinderarmut – stets zentrale Themen meiner politischen Arbeit. Es muss unser gemeinsames Ziel in einer solidarischen Gesellschaft sein, Armut wo immer es geht zu bekämpfen und mit unseren starken Schultern denjenigen zu helfen, die unsere Unterstützung benötigen. Ich stehe daher für eine Politik, die an ALLE denkt und niemanden ausschließt oder vergisst.

Manuela Matz (CDU):
Dieses ist für mich ein Thema von übergeordneter Bedeutung! Ich sehe die Stadt in der Verantwortung, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um Kinderarmut zu verhindern oder zu beseitigen. Alle dafür notwendigen Maßnahmen werden in enger Abstimmung und in einem Klima der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Eltern / Erziehungsberechtigten erfolgen. So wie die Stadt tragen diese in gleicher Weise auch Verantwortung dafür, dass ihren Kindern die von der Allgemeinheit bereitgestellten Unterstützungen zuteilwerden.

Christian Viering (Grüne):
Soziale Themen, insbesondere die Situation der Familien und Kinder in Mainz, stehen ganz oben auf meiner Agenda. Gerade wurden die Mittel beim Jugendpflegeetat um 38% er-
höht, damit die Jugendverbände vermehrt Angebote für Freizeiten und Ferienmaßnahmen anbieten können. Ziel ist, dass auch Kinder und Jugendliche aus finanziell schwach aufgestellten Familien die Möglichkeit haben, an solchen Aktivitäten teilzunehmen.
Alle Stadtteile bzw. zwei Stadtteile zusammen haben inzwischen Jugendzentren oder durch einen freien Träger organisierte offene Kinder-, Jugend- und Kulturarbeit, die viele kostenfreie Angebote für Heranwachsende anbieten.

Nino Haase (parteilos):
Dieses Thema ist mir eine Herzensangelegenheit. Jedes 6. Kind ist in Mainz von Armut betroffen – diese Zahl ist erschreckend. Die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Stadt hat sich im letzten Jahr erheblich verbessert, sodass wir Ressourcen haben und umgehend handeln können und müssen. Freiwillige Leistungen in diesem Bereich müssen finanziell – und damit
verbunden personell – ausgeweitet werden. Das können und müssen wir uns jetzt leisten. Soziale Armut und Ausgrenzung darf nicht sein.
Das ist eine Investition in unsere Zukunft und als gewählter Oberbürgermeister werde dieses
Thema gezielt mit den zuständigen Dezernaten, Verwaltungsapparaten und in intensiver Anbindung mit den Erfahrungen vom Mainzer Bündnis erarbeiten. Diese Vertreterinnen und Vertreter sind aktuell vor Ort und wissen, wo die Defizite sind. Deren Expertisen möchte ich zusammenführen und gezielte Veränderungen sowie konkrete Maßnahmen betreffend anstoßen. Hier geht es um Dialog und direkte Umsetzung. Je schneller wir damit beginnen, umso mehr kindliche Entwicklungs- und Bildungsbiografien können davon profitieren.

Martin Malcherek (DIE LINKE):
Dass es in einem reichen Land Armut gibt, zeigt, dass es ein Problem bei der Verteilung gibt. Verteilungsprobleme können und müssen politisch gelöst werden. Auch kommunalpolitisch kann dazu beigetragen werden, gerechte Lebensverhältnisse zu schaffen. Dazu gehört die Grundausstattung mit Wohnraum, Energie, Lebensmitteln und Gesundheitsvorsorge inklusive medizinischer Versorgung, aber auch Mobilität und – ganz besonders wichtig – Bildung. In allen Bereichen kann und muss die Kommune aktiv werden. Die Stadt Mainz hat jahrelang nur das Notwendigste getan (und teilweise noch nicht mal das), jetzt können wir mehr tun, jetzt müssen wir mehr tun.

Frage 2:
Die Ursachen von Kinderarmut und ihre Folgen wie schlechtere Bildung, gefährdetere Gesundheit und weniger Teilhabe sind vielfach beschrieben. Es geht jetzt um die Konkretisierung des politischen Handlungsbedarfs. Können Sie Beispiele dazu aus Ihrem Programm benennen?

Mareike von Jungenfeld (SPD):
Ich möchte Mainz in den kommenden acht Jahren zur familienfreundlichsten Stadt in Rheinland-Pfalz machen. Beste Bildung für unsere Kinder – unabhängig vom Geldbeutel der Eltern – ist mir sehr wichtig. Neben einer kostenfreien warmen Mahlzeit in Mainzer Kitas und
Schulen möchte ich alle Projekte im Bildungsbereich verwaltungsintern priorisieren. Zur kurzfristigen Stabilisierung des Kita-Systems werde ich zudem sehr schnell gut ausgebildete Vertretungskräfte für die Kitas einstellen und zudem dafür sorgen, dass wir in Zukunft deutlich mehr Erzieher:innen selbst ausbilden und dauerhaft in unseren Kitas halten. Auch die Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum werde ich vorantrieben, 9.000 Wohnungen – insbesondere für junge Familien und Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen – sind mein konkretes Ziel.
Darüber hinaus haben wir als SPD – gemeinsam mit unserer Fraktion im Stadtrat – bereits in den vergangenen Monaten zusätzliche Teilhabemöglichkeiten für Menschen mit geringerem Einkommen eingeführt und auf den Weg gebracht, z.B. ein 365 Euro Ticket für den ÖPNV für Schüler:innen, Studierende und Azubis oder die deutliche Ausweitung der Angebote für Inhaber:innen des
Mainz-Passes. Zudem stehe ich in engem Kontakt zur Mainzer TAFEL, um auch dort schnellstmöglich zu unterstützen. Weitere Schritte in diesem Bereich müssen in den kommenden Jahren folgen, die notwendigen Mittel dafür sind jedenfalls vorhanden.

Christian Viering (Grüne):
Die Ferienkarte wurde im letzten Jahr für 14,- und vergünstigt für 7,-€ angeboten. Dies sollte in diesem Jahr wieder möglich sein. Freier Eintritt fürs Schwimmbad, freier ÖPNV, viele Tagesangebote, Ausflüge, etc. auch Ganztagesbetreuung in der alter Ziegelei sind möglich und sollten ausgeweitet werden.
Bei der Einschulung und bei der 5. Klasse gibt es Schulmaterialgutscheine (2x €50,–) oder Zuschüsse aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Diese Maßnahme ist unzureichend und aufwendig, hier könnte man eventuell mehr tun.
Der Kinderzuschlag zum Kindergeld ist völlig unbekannt und wird nur von ca. 30 % der Eltern beantragt, er ist auf € 250,– pro Kind erhöht worden und muss alle 6 Monate neu beantragt werden. Diese Möglichkeit muss bekannt gemacht werden, z.B. mit Flyern in allen Kitas, Eltern müssen offensiv angesprochen werden.
Ein weiterer Punkt ist die Erhöhung der Mittel für „Programm Schulzeit“, damit alle Kitas und Schulen mit Bedarf daran teilnehmen können. Das Programm beinhaltet eine Vorbereitung auf
die Einschulung im letzten Kita Jahr. Die vakante halbe Stelle zur Armutsprävention muss
schnellstmöglich besetzt werden. Die Aufgabe besteht in der Koordination eines neuen Bündnisses zur Armutsbekämpfung. Weitere Kitas sollen zu Familienzentren ausgebaut und damit zu einer möglichen Anlaufstelle für Eltern werden. Der Fokus der Familienzentren liegt auf einer niedrigschwelligen Beratung und Hilfestellungen bei Anträgen.

Nino Haase (parteilos):
Ich möchte an dieser Stelle konkrete Beispiele herausgreifen:
a) Vor allem Kinder, die von Armut betroffen sind, haben einen besonderen Bedarf auf frühkindli-
che Bildung. (nähere Beantwortung unter Frage 4)
b) In Kitas und Schulen sehe ich aktuell einen hohen Bedarf an Sprach- und Sozialförderung (auch Kita- Sozialarbeit!). Coronabedingt sind Defizite entstanden und Bildungsbiografien gestört, die
die Chancen vieler Kinder früh gefährden. Dem gilt es etwas entgegenzusetzen. Leider wurde
eine frühzeitige Verlängerung des auslaufenden Bundesprogramms für Sprachkitas versäumt und die Fachkräfte sind mittlerweile weg. Diese Fehler dürfen in Mainz nicht mehr geschehen. Der Bedarf an sozialer Betreuung war schon jeher hoch. Bei diesem wichtigen Thema darf es keinen Flickenteppich geben. Ohne Sichtbarkeit und Verlässlichkeit geht es nicht; Nur wenn der Zugang zur Schulsozialarbeit niedrigschwellig ist, nutzen Kinder und Jugendliche psychosoziale Angebote. Ein Heranwachsender muss wissen, dass ich an allen Schulformen und mit guter Verfügbarkeit Beratungsmöglichkeiten vorfinde und diese unproblematisch sowie diskret nutzen kann.
Mainz muss mehr finanzielle Mittel und Personal für Sprachförderung an Kitas und Schulen sowie Sozialarbeit bereitstellen.
c) Zugang zu Frühstück und Mahlzeiten sichern: Die Stadt hat erst kürzlich ihre Zuschüsse für das Schulessen gekürzt & so die Kosten für Familien erhöht. Das muss ein Ende finden. Ich möchte
eine Deckelung der Kosten auf 40 € je Monat sowie 0 € für Familien mit geringem Einkommen.

Manuela Matz (CDU):
Hierzu möchte ich exemplarisch folgende Punkte aus meinem Programm hervorheben:
– Kita: Unsere Kitas sind nahezu alle personell unterbesetzt. Dies betrifft nicht nur die Regelbetreuung, sondern auch zusätzliche wichtige Aktivitäten wie die frühkindliche Spracherziehung. Ich werde dafür Sorge tragen, dass verstärkt nach Fachkräften für Kindererziehung oder Personen
mit vergleichbaren Qualifikationen gesucht wird und diesen auch zusätzliche Anreize geboten
werden, wie z.B. bezahlbare Wohnungen aus städtischen Beständen oder mit anderen Städten
vergleichbare Bezahlung. Das vor einigen Monaten ausgelaufene und nicht fortgeführte Bundesförderprogramm für frühkindliche Spracherziehung wird seitens der Stadt fortgesetzt und wir werden allen in diesem Programm ehemals tätigen Fachkräften die Weiterbeschäftigung in ihrer bisherigen Tätigkeit anbieten.
– Schulen: In den kommenden vier Jahren werden alle Schulen in städtischer Trägerschaft in der
Lage sein, Nachmittags- und Hausaufgabenbetreuung für alle Schüler anzubieten, so wie dies bereits heute auf den privat geführten Schulen in Mainz geschieht. Darüber hinaus wird allen Schülern eine qualitativ hochwertige, vitaminreiche warme Mittagsmahlzeit angeboten, welche für Kinder aus ärmeren Bevölkerungsschichten kostenlos sein wird.

Dr. Marc Engelmann (FDP):
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir die Chancengerechtigkeit im Kindesalter am besten in der KiTa und Schule beseitigen können. Deshalb sollte Kindern in den Schulen weit-
gehend alles, unabhängig vom Elternhaus kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Das derzeit existierende umfangreiche Unterstützungsangebot bleibt für viele, insbesondere die, die es am dringendsten brauchen, hinter hohen bürokratischen Hürden verborgen. Die gilt es zu beseitigen.

Martin Malcherek (DIE LINKE):
Wir müssen die Umstände zusammen denken. Beengte Wohnverhältnisse wirken sich auch auf das Lernverhalten aus, wer sich ein Zimmer mit Eltern und Geschwisterkind teilen muss, hat keine Ruhe, um Hausaufgaben erledigen zu können. Leider ist das Realität für viele Kinder. Insofern würde es schon viel helfen, angemessene Wohnverhältnisse zu schaffen. Bildungsnachteile können in der Schule ausgeglichen werden. Schule ist Ländersache, Schulsozialarbeit ist es nicht. Hier müssen wir Geld in die Hand nehmen und Stellen schaffen. Ich habe den Haushaltsbegleitantrag der Fraktion die Linke im Stadtrat eingebracht. Hier waren 10 Millionen € für Schulsozialarbeit vorgesehen. Die Ampel hat demgegenüber 4,5 Stellen geschaffen – ein schlechter Witz in einer ernsten Lage. Es ist zentrales Anliegen meiner politischen Agenda, die soziale Ungerechtigkeit, die die Ampelpolitik in Mainz kennzeichnet, abzustellen. Zudem müssen wir gesundheitliche Risikofaktoren, die eng mit der Armut besser identifizieren und bekämpfen: Belastung durch Feinstaub oder Lärm gehören dazu. Deshalb ist auch die Verkehrswende Teil der Bekämpfung negative Auswirkungen von Armut. Ich fordere langfristig kostenlosen ÖPNV, auf dem Weg dahin das Mainzer Neun-Euro-Ticket, das ein Booster für die Verkehrswende ist. Und deshalb ökologisch und soziale ist, weil es Mobilität für wenig Geld ermöglicht. Außerdem mache ich mich für die Begrünung der Stadt stark, auch das hilft Kindern vor allen Dingen von Elternhäusern, die z.B. keinen eigenen Garten haben. Deshalb ist es ganz besonders wichtig, dass Goethepark erhalten bleibt und nicht dem Grünen-Lieblingsprojekt Straßenbahn zum Opfer fällt. Die Rheinallee ist die einzig denkbar Trassenführung. Der Goetheplatz hat überragende Bedeutung für die Bewohner:innen der Neustadt für die Naherholung und für soziale Kontakte.

Frage 3:
Mainzer Kommunalpolitik und Stadtverwaltung brauchen für eine sozialpolitische Offensive gegen Kinderarmut eine ressortübergreifende Arbeitsstruktur und ein Monitoring auf politischer Leitungsebene. Welche Schritte wollen Sie als künftige Oberbürgermeisterin/künftiger Oberbürgermeister dazu in die Wege leiten?

Manuela Matz (CDU):
Ich werde die Stelle eine Koordinatorenstelle „Kinderarmutsvermeidung“ schaffen. Die/der Stelleninhaber:in wird direkt an mich berichten und hat die Aufgabe, entsprechende Unterstützungsprogramme in Zusammenarbeit mit den betroffenen Ressorts sowie den Kitas und Schulen zu vereinbaren, zu koordinieren und den Fortschritt transparent und messbar zu machen. Ich werde mich von der verantwortlichen Person regelmäßig über die Fortschritte in diesen Programmen unterrichten lassen, um ggf. rechtzeitig nachzusteuern, falls die Erreichung der gesetzten Ziele gefährdet sein könnte.

Martin Malcherek (DIE LINKE):
Wir brauchen eine bessere Ausstattung der Verwaltung, mehr Personal, mehr Bewusstsein für armutsspezifische Fragestellungen. Kinderarmut ist auch von den Fallzahlen her ein absolut relevantes Problem, das zur Koordinierung der Bekämpfung mindestens eine eigene Stelle erfordert. Dabei ist nicht nur das Sozialdezernat gefragt, sondern Armut ist auch z. B. in den Bereichen Bildung, Bauen, Grünanlagen und Sport relevant. Deshalb würde ich diese Stelle beim Oberbürgermeister ansiedeln. Von dort ausgehend könnten weitere Maßnahmen ergriffen werden. Das Geld ist da, wir erwarten in den nächsten zwei Jahren 300 Millionen Euro Überschuss. Dass dieses Geld liegen bleibt, ist ein Zeichen dafür, dass der Verwaltung die Ideen oder der Wille fehlen, das Problem Kinderarmut anzugehen. Hier muss ein neues Bewusstsein im Rathaus Einzug halten.

Mareike von Jungenfeld (SPD):
Ich unterstütze ihre Forderung nach einer ressortübergreifenden Arbeitsstruktur in der Verwaltung. Auch wenn die finanziellen Mittel in den vergangenen Jahren aufgrund der hohen Verschuldung der Stadt Mainz auch im Sozialbereich leider oftmals begrenzt waren, kann ich Ihnen versichern, dass wir uns als SPD-Fraktion und auch ich mich ganz persönlich – wo immer es möglich war – für die Bekämpfung der Armut in unserer Stadt eingesetzt. Insbesondere im aktuellen Doppelhaushalt 2023/2024 ist es uns mit den zusätzlichen Finanzmitteln gelungen, große Schritte voranzukommen, z.B. durch die neue Hebammenzentrale, die frühen Hilfen des Jugendamtes, die deutliche Aufstockung der Schulsozialarbeit, der Ausbau der Bildungs- und Teilhabehilfen, die Ausweitung der Angebote der Mainzer Ferienkarte uvm. Weitere Schritte müssen schnell folgen.

Christian Viering (Grüne):
Bis 2009 gab es ein Bündnis für Familien in der Stadt, in dem alle relevanten Akteur*innen
zusammengearbeitet haben. Ein ähnliches Format sollte wieder aufgelegt werden. Nach
Rücksprache mit den Akteur*innen kann ein Maßnahmenkatalog entwickelt werden, der dann im Stadtrat verabschiedet werden kann.

Dr. Marc Engelmann (FDP):
Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Themen im Dezernat IV gebündelt. Für eine ämterübergreifende Arbeitsstruktur und ein entsprechendes Monitoring ist der Dezernent verantwortlich. Ob dieser Zustand einer Veränderung bedarf, entzieht sich zum jetzigen Zeitpunkt, mit dem
Blick von außen, meiner Kenntnis.

Nino Haase (parteilos):
Ich möchte die Organisationsführung in der Stadtverwaltung reformieren. Meine Schwerpunkte sind dabei: eine transparente interne und externe Kommunikation, dezernatsüber-
greifende Arbeitsstrukturen, beschleunigte Prozesse und ein Qualitätsmanagement. Ich möchte massiv in Personal und Digitalisierung investieren und damit auch die Arbeitsbedingungen in der Belegschaft verbessern (z. B. Homeoffice). Es gilt Bürokratie abzubauen und einen serviceorientierten Ansatz zu verfolgen. Dabei steht Vertrauen im Vordergrund: vonseiten des Oberbürgermeisters in die Mitarbeitenden und das Vertrauen der Bevölkerung in die Stadtverwaltung. Nur so kann es gelingen, den sozialen Herausforderungen zu begegnen.
Bezogen auf ein konkretes Beispiel: Um die Betreuungs sollte in gegebener Frist auf alle Bewerbungen geantwortet werden. Durch ein zu implementierendes Vertragsmanagement könnten die Abläufe deutlich verkürzt werden und qualifizierte Interessenten hätten ein zeitnahes Jobangebot der Stadt Mainz. Dies ganze idealerweise in digitaler Form.

Frage 4:
Kinder, die in Armut aufwachsen, sind doppelt benachteiligt, weil sie auch schlechtere Chancen auf einen Kitaplatz haben, obwohl sie frühzeitige Förderung am dringendsten brauchen. Welche Überlegungen haben Sie, um benachteiligten Kindern zu ihrem Recht auf den Zugang zu frühkindlicher Bildung und Betreuung zu verhelfen?

Martin Malcherek (DIE LINKE):
Das vom Stadtrat verabschiedete Punktesystem muss überarbeitet werden. Es führt zu Ungerechtigkeiten, wenn vorrangig auf die Berufstätigkeit der Eltern abgestellt wird. Aber auch das Punktesystem ist nur ein Teil der Mangelverwaltung. Wir brauchen langfristig mehr Kitaplätze und vor allem eine zuverlässige Versorgung. Schlüssel dazu sind mehr Erzieher:innen. Wir brauchen eine bessere Bezahlung, aber auch bessere Lebensbedingungen. Dazu gehören vor allen Dingen niedrigere Miete in der Stadt, oder der Zugriff auf Stadtbediensteten-Wohnungen. Wenn Erzieher:innen die Hälfte ihres Ausbildungsgehaltes oder sogar mehr für eine 30 m² Wohnung zahlen müssen, überlegen Sie sich sehr gut, ob sie nach Mainz kommen.

Mareike von Jungenfeld (SPD):
Beste Bildung für unsere Kinder ist mein Ziel. Die Erfüllung des Rechtsanspruches im Kitabereich ist dafür unbedingt zu erfüllen. Die Stadt Mainz hat hierfür bereits in den vergangenen Jahren sehr viel Geld in die Hand genommen und zahlreiche Kitas saniert, erweitert und neue Einrichtungen gebaut. Aufgrund der deutlich stärker gestiegenen Kinder im Kitaalter müssen wir die Geschwindigkeit in diesem Bereich weiter ausbauen. Ich werde daher alle Projekte im Bildungsbereich verwaltungsintern priorisieren!
Zusätzlich zu den räumlichen Voraussetzungen brauchen wir auch dringend zusätzliches und gut
ausgebildetes Personal, um eine bestmögliche Förderung zu gewährleisten. Zur kurzfristigen Stabilisierung des Kita-Systems möchte ich sehr schnell zusätzliche und gut ausgebildete Vertretungskräfte für die Kitas einstellen. Zudem werde ich in Abstimmung mit dem Land Rheinland-Pfalz auch dafür sorgen, dass wir in Zukunft deutlich mehr Erzieher:innen hier vor Ort in Mainz ausbilden und dauerhaft in unseren Kitas halten.

Christian Viering (Grüne):
Durch den Ausbau der Kindertagespflege muss die Situation für die unter 3-Jährigen entzerrt werden. Die Prioritätenliste sollte nochmal überarbeitet werden, damit 2 Jahre vor der Einschulung ein Platz garantiert werden kann. Die Kompetenzen der Kita-Leitungen sollten erhöht werden. Denn größere Autonomie erhöht die Berufszufriedenheit und entlastet das Jugendamt.

Dr. Marc Engelmann (FDP):
Mir müssen in Mainz für jedes Kind einen Kita-Platz zur Verfügung stellen, um allen Kindern Zugang zu frühkindlicher Bildung zu ermöglichen. Dann erübrigen sich jegliche Vertei-
lungskämpfe.

Nino Haase (parteilos):
Frühkindliche Bildung ist der Schlüssel für Chancengerechtigkeit und Teilhabe. Das derzeitige System zur Erlangung eines eigentlich gesetzlich garantierten Kitaplatzes ist in Mainz sehr bürokratisch und nicht transparent – das muss sich im Sinne der Kinder, die in Armut aufwachsen zwingend und schnellstmöglich ändern. Armut hat Folgen für die Entwicklungs- und Bildungschancen von Kindern. Frühkindliche Bildungsangebote können hier präventiv wirken. Eine Kitaplatz-Klage und die Berufstätigkeit der Eltern dürfen nicht stärker Berücksichtigung finden als das Kindeswohl. Die Stadt soll „Anwalt“ dieser Kinder werden. Um die Betreuung in der frühkindlichen Bildung auszubauen, fehlt es insbesondere an Personal.
Fachkräfteoffensive jetzt starten: 2019 sprachen wir von 65 unbesetzten Stellen im Erziehungswesen – mittlerweile sind wir bei 130. Eine verheerende Entwicklung! Ich habe mich mit den Eltern der Kita Riedweg zusammengesetzt und sie auch vor dem Gespräch mit der Stadt beraten.
Das Erschreckende war, dass die Stadt aktuell weder Probleme bei Personalmarketing noch beim
Einstellungsprozess erkennt. Wenn dies in Zukunft weiter verdrängt wird, tritt keine Besserung ein.
Vor allem kurzfristig müssen wir unsere Springerstellen deutlich ausbauen (3% Springerreserve bei Krankenstand von 10–15 %sind viel zu wenig!) – am besten über Rückkehrprämien für kürzlich ausgeschiedene Fachkräfte. Der Tarifvertrag empfiehlt, dass wir Erzieherinnen und Erzieher besser bezahlen, wenn sie besondere Herausforderungen bewältigen müssen. Von dieser Möglichkeit macht die Stadt Mainz keinerlei Gebrauch. Ein Arbeitgeber kann in diesen Zeiten unterstützen wie nur eben möglich: geförderter Wohnraum, Weiterbildungsangebote (Coaching, Mentoring, Praktika), Vergünstigungen (z. B. kostenloses ÖPNV-Ticket, Kulturticket, Mobilfunkvertrag). Das möchte ich ändern: für mehr Wertschätzung und um mehr Personal zu gewinnen.
Langfristig möchte ich eine Ausbildungsstiftung auflegen. Die Ausbildungsförderung (Stipendien,
geförderter Wohnraum) soll einen Anreiz und die Möglichkeit geben, eine Ausbildung als Erzieherin/Erzieher zu absolvieren und anschließend in einer Mainzer Kita zu arbeiten. Es ist eine moderne und effektive Antwort auf den Fachkräftemangel, nicht nur in diesem Bereich, sondern auch in der Pflege und im Handwerk.

Frage 5:
Bezahlbarer Nahverkehr auch für Menschen in Armut, bezahlbarer bzw. freier Zugang zu Sport-, Kultur- und Bildungseinrichtungen, transparente Beantragung sozialer Leistungen möglichst an einem Ort, … diese und weitere Herausforderungen stellen sich im Rahmen einer Fortentwicklung des „Mainz-Pass“! Womit werden Sie starten?

Christian Viering (Grüne):
Der Mainz Pass bietet seit 1.1.23 für 30,-€ ÖPNV und viele andere Vergünstigungen an.
Diese können erweitert werden z.B. mit kostenfreien Volkshochschulkursen etc. Das 365,- € Ticket für Schüler*innen und Azubis gibt es seit Januar: Nach einer Evaluation könnte man nochmal über eine Reduzierung nachdenken. Die Kindergrundsicherung des Bundes wird die vielen Leistungen für Kinder bündeln und dann ohne ständige Anträge zusammenführen. Dies bedeutet eine große Vereinfachung und Erleichterung bei der Beantragung von Leistungen. Bis es soweit ist, müssen die Eltern bei den Anlaufstellen beraten und unterstützt werden. Die Antragsstellung muss beim Jugendamt vereinfacht und digital möglich sein. Leistungen müssen besser bekannt gemacht z.B. auf der Homepage der Stadt oder mit Flyern in entsprechenden Einrichtungen. Die Informationen müssen in verschiedenen Sprachen und in leicht verständlicher Form vorliegen.

Martin Malcherek (DIE LINKE):
Die genannten Punkte sind alle wichtig. Da nach dem Startpunkt gefragt wird: Ich beginne mit dem ÖPNV. Wenn das 49 € Ticket kommt, können wir dieses in Mainz mit 40 € subventionieren. Wer sich das 49 € Ticket kauft, bekommt 40 € erstattet. Im besten Fall direkt bei der MVG, wo die Tickets gekauft werden. So bekommen wir das Mainzer 9 € Ticket. Diese Maßnahme ist sofort umsetzbar, sobald das 49 € Ticket kommt. Wir helfen damit also besonders schnell und effektiv. Das sollte uns aber nicht hindern, die anderen Maßnahmen auch möglichst schnell umzusetzen.

Manuela Matz (CDU):
Ich werde dafür sorgen, dass wieder verstärkt für den Mainz-Pass geworben wird, da dieser bisher nur von einem Teil des berechtigten Personenkreises in Anspruch genommen wird. Der Mainz-Pass beinhaltet bereits zahlreiche Vergünstigungen für ihre Inhaber. Wir werden das Angebot dahingehen noch ausweiten, dass wir den Preis für die Mobilitäts-Monatskarte von
aktuell 30€ auf 15€ halbieren werden (Kinder, Schüler und Studenten werden kostenlos befördert) und darüber hinaus für Kinder und Jugendliche aus den bezugsberechtigten Familien eine kostenlose Mitgliedschaft in einem Sport- oder Kulturverein (z.B. Musik, Theater, Tanz etc.) anbieten.

Mareike von Jungenfeld (SPD):
Ein günstigerer und verlässlicher ÖPNV ist unabdingbar, wenn wir die Mobilitätswende ernst meinen und den ÖPNV zu einer echten Alternative zum Auto machen wollen. Das 365 Euro-Ticket für Schüler:innen und Azubis war hierbei ein wichtiger Schritt.
Angesichts der neuen finanziellen Spielräume der Stadt Mainz kann ich zusätzliche Förderungen beim ÖPNV für Menschen und Kinder, die von Armut betroffen sind, sehr gut vorstellen. Auch für weitere Förderungen, z.B. im Kultur- oder Sportbereich bin ich offen, würde diese aber gerne sehr schnell nach der Wahl im Rahmen eines gemeinsamen Dialoges zwischen Verwaltung, externen Akteur:innen und weiteren Expert:innen gemeinsam beraten.
Lassen Sie mich Ihnen und allen Partner:innen im Bündnis abschließend für ihr herausragendes
Engagement im Kampf gegen Kinderarmut – auch in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung Mainz – danken. Dieses gute Verhältnis möchte ich als Oberbürgermeisterin mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln und Möglichkeiten weiterhin fördern und freue mich auf einen regelmäßigen Austausch mit Ihnen.

Dr. Marc Engelmann (FDP):
Ich werde zunächst die transparente einfache Beantragung von Verwaltungsleistungen angehen, insbesondere in Form von Digitalisierung. Damit die Menschen, die die Leistungen brauchen, diese auch bekommen.

Nino Haase (parteilos):
Der Mainz-Pass ist grundsätzlich ein guter Ansatz, den man weiterführen muss – man sollte sogar über eine Ausweitung nachdenken. 30€ für ein Monatsticket sind bei Schülerinnen und sowie Azubis immer noch eine ganze Menge. Hier sollte eine deutlichere Förderung für berechtigte Familien vorgenommen werden. Bei den Zugängen zu Museen vertrete ich ohnehin die Ansicht, dass diese als Grundversorgung kostenfrei sein sollten. Das Konzept des kostenfreien „National Heritage“, wie es bspw Großbritannien vertritt, finde ich dabei äußerst attraktiv. Die Transparenz bei Anfragen und Anträgen an die Stadt ist allerdings immer ein Thema: Mehr Tempo bei der Digitalisierung und dementsprechend transparentere und schneller Entscheidungswege sind ein großes Ziel meiner avisierten Amtszeit, wovon am Ende alle profitieren. Gerne tausche ich mich dazu aktiv mit den Passberechtigten aus und erarbeite gemeinsam, welche sinnvollen Bedarfe noch abgedeckt werden sollten.