In den letzten Tagen ist der Fall Heinz Hoenig breit in den Medien diskutiert worden.
Der Schauspieler ist schwer krank, aber hat keine Krankenversicherung.
Wie ihm geht es auch mindestens Hunderttausenden anderen in Deutschland.
Die Allgemeine Zeitung hat zusammengefasst, was sie tun können:
Das WDR-Format Monitor hat auf seiner Instagram-Seite eine informative Übersicht zusammengestellt:
Sie schreiben dazu:
„Der Schauspieler Heinz Hoenig liegt wegen einer lebensgefährlichen Entzündung im Krankenhaus. Für die nötige OP ist er wohl auf Spenden angewiesen, denn: krankenversichert ist Hoenig nicht. Wie kann das passieren, im wohlhabenden Deutschland, wo Krankenversicherung gesetzliche Pflicht ist?
👉 Oft trifft es Menschen, die selbstständig und privat versichert sind. Weil sie – beispielsweise im Alter – die Versicherungsbeiträge nicht mehr bezahlen können. Gesetzliche Krankenkassen bieten eine längere Kulanzzeit, um Beitragsschulden zu begleichen. Passiert das nicht, werden medizinische Leistungen einfach nicht mehr übernommen.
👉 Auch Wohnungslose, die keine Postadresse und keinen Kontakt zu Sozialamt oder Jobcenter haben, sind oft unversichert. Genauso wie EU-Bürger:innen ohne sozialversicherungspflichtigen Job. So bieten etwa Leiharbeitsfirmen ihren Arbeiter:innen aus dem EU-Ausland nicht immer eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung an.
👉 Dem Statistischen Bundesamt zufolge sind in Deutschland 61.000 Menschen nicht krankenversichert. Allerdings stammen die Zahlen von 2019 und basieren auf Befragungen von Haushalten – Wohnungslose etwa tauchen also gar nicht in der Statistik auf.
👉 Die Dunkelziffer ist wohl weitaus höher. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Anonyme Behandlungsscheine und Clearingstellen für Menschen ohne Krankenversicherung (BACK) geht von einer halben bis zu einer Million Betroffenen aus.
👉 Kritiker:innen fordern von der Bundesregierung Hürden bei der Gesundheitsversorgung abzubauen. Etwa den Abbau von Bürokratie, die Bereitstellung einfach verständlicher Informationen, Unterstützung bei Sprachbarrieren, Maßnahmen gegen Diskriminierung im Gesundheitswesen und bei Behörden. Daneben wird u.a. auch eine Absenkung des Mindestbeitrags für einkommensschwache Personen gefordert.“
Lesen Sie auch unsere Pressemitteilung von letzter Woche zu diesem Thema:
Gesundheitsversorgung für alle – aber nicht in Rheinland-Pfalz!?
Mainz/Koblenz, 06.05.2024
Trotz jahrelanger Bemühungen der Medinetze in Koblenz und Mainz sowie des Vereins Armut und Gesundheit in Deutschland e.V. (a+G) bleibt die medizinische Versorgung für Menschen ohne Krankenversicherung in Rheinland-Pfalz ein vernachlässigtes Thema. Obwohl die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag die Suche nach Lösungen für Betroffene versprochen haben, verwehren sie sich weiterhin konkreten Maßnahmen. Dies ist inakzeptabel.
„Die seit 2019 vom Land Rheinland-Pfalz geförderten Clearingstellen helfen den Betroffenen beim Weg zurück in die Krankenversicherung. Aber für die Menschen, bei denen der Rückweg ins Regelsystem länger dauert oder gar nicht möglich ist, gibt es nach wie vor keine gesicherte Versorgung. Und das im 21. Jahrhundert in einem der reichsten Länder der Welt“, erklärt Dr. Claudia Tamm von Medinetz Koblenz.
Die Folgen dieser Unterversorgung sind verheerend für die Betroffenen. „Sie werden oft zu spät oder gar nicht behandelt. Die Krankheitsbilder verschlechtern sich und es entstehen hohe Folgekosten, auf denen Leistungserbringer wie Kliniken dann sitzen bleiben“, ergänzt Johannes Lauxen von der Clearingstelle Krankenversicherung Mainz.
Anfang dieses Jahres organisierten die Medinetze und a+G eine öffentliche Informations- und Diskussionsveranstaltung zum Thema „Schwangere ohne Krankenversicherung in Rheinland-Pfalz“. Sie zeigten auf, dass auch für diese besonders verletzliche Personengruppe bisher keine angemessene Lösung existiert. Eine Vereinbarung zwischen der Stadt Mainz und a+G ermöglicht seit 2022 hilfebedürftigen Schwangeren aus Mainz eine sichere Geburt, während der Rest auch hierbei vom Land Rheinland-Pfalz im Stich gelassen wird.
„Wir hatten auch Vertreter*innen der Landespolitik aus Fraktionen, Ausschüssen und Ministerien zu unserer Infoveranstaltung eingeladen – sie waren allerdings kaum vertreten. Einige Tage später konnten wir den gesundheitspolitischen Sprecher der größten Regierungsfraktion treffen, bei dem uns allerdings keinerlei Hoffnung gemacht wurde, generell mit unserem Anliegen weiterzukommen.
Die Politiker*innen wollen diese wichtige gesellschaftliche Aufgabe also weiterhin gemeinnützigen Organisationen überlassen. Das ist nicht akzeptabel!“, kritisiert Dr. Claudia Tamm mit Nachdruck.
a+G bietet Menschen ohne Krankenversicherung medizinische Versorgung an; die Medinetze Mainz und Koblenz vermitteln eine ebensolche. Jedoch sind ihre Möglichkeiten begrenzt und von ehrenamtlichem Engagement und Spenden abhängig.
Um das Ausmaß der Problematik zu verdeutlichen, haben sie die Behandlungen von Betroffenen aus ganz Rheinland-Pfalz im Kalenderjahr 2023 auf reiner Spendenbasis finanziert, um die Bedarfe auszuwerten: Es wurden dabei etwa 50.000 € aufgewendet, wobei die Hälfte der Patient*innen Ausgaben unter 150 € verursachte. In nur 10 Fällen entstanden Kosten über 2000 €, darunter waren z. B. drei Geburten und eine Unterschenkelprothese. Die höchsten Ausgaben für eine Einzelperson lagen bei 6.400 €.
Die insgesamt 66 Patient*innen kamen hauptsächlich aus Mainz und Koblenz sowie den angrenzenden Landkreisen. „Der Bedarf für ganz Rheinland-Pfalz wird demnach größer sein – ein Maßstab ist nun aber geschaffen“, erklärt Johannes Lauxen. „Es kann nicht sein, dass arme, kranke Menschen in Rheinland-Pfalz weiterhin ignoriert und allein gelassen werden. Seit Jahren wird die Regierung über diesen Missstand aufgeklärt!“
a+G und die Medinetze fordern die sofortige Einrichtung eines landesweiten Behandlungsfonds zur Finanzierung von notwendigen medizinischen Behandlungen für nicht-krankenversicherte Menschen. In Thüringen und Berlin gibt es diese Möglichkeit bereits. Deutschlandweit sind diesem Beispiel Bonn, Hannover, München und andere Kommunen gefolgt.
Wann handelt Rheinland-Pfalz?
Im Juni 2024 werden sich die Organisationen mit Verantwortlichen des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung, mit Vertretern des Ministeriums für Wissenschaft und Gesundheit, sowie mit dem Mainzer Sozialdezernenten Dr. Eckart Lensch zu einem Austausch treffen. „Wir fordern klare Antworten und unmittelbare Maßnahmen, wir akzeptieren keine weiteren Vertröstungen mehr!“, schließt Johannes Lauxen.